Die Armut meiner Kindheit

von Wintersonne (und danke dir Wintersonne. Es ist unglaublich stark, uns so einen Einblick in dein Leben zu gewähren)




Triggerwarunung: Achtung! In diesem Text geht es unter anderem um Kindesmissbrauch.


Eine Familie ist für mich immer ein Traum gewesen, ich liebte als Kind die Serie "Die kleine Farm", denn meine Familie war weit weg und dunkel.

Die Armut meiner Kindheit war für andere nicht sichtbar, ja sogar die nähere Familie sah nicht, was unsere Eltern uns angetan haben.

Der Vater war seit ich mich erinnern kann spielsüchtig und Alkoholiker, er hatte zuletzt vor meiner Geburt gearbeitet. Die Mutter war Krankenschwester mit bis zu zwei Nebenjobs, sie hat viel verdient und war dennoch so arm.

Das ganze Geld verwaltete der spielsüchtige Alkoholiker. Oft gab es nichts zu essen, oft nicht mal Schuhe die passten, oft wuchsen mir die Nägel blutig ein. Aber Schuhe für uns zu kaufen kam nicht in Frage, im Sommer wurden sie vorne aufgeschnitten und siehe da, wir hatten Sandalen. Oft gab es nur Butter und Brot, denn der Spielautomat war sehr hungrig und mein Vater liebte ihn so sehr, dass er jeden Schilling, zuvor jeden Dinar, in ihm versenkt hatte.

Nach einem Arbeitsunfall im Jahr 1979 in der Raffinerie wurde er arbeitsunfähig, verlor einen Fuß und die Menschlichkeit. Aber ist das die Entschuldigung für all das, was er uns angetan hat?

Ja, seine 4 jährige Tochter hat er verkauft. An den pädophilen Nachbarn. Eine Kinderseele hat er verkauft, die er hätte schützen sollen, um die Automaten in einer Bar zu füttern.

Meine Kindheit war hungrig nach Liebe, hungrig nach einer Mutter, nach einer Familie. Meine Mutter war ein Heimkind, war der Meinung, Kinder brauchen Eltern, weil sie selber keine hatte. Sie sah weg, als ich misshandelt wurde, sie war blind aus Liebe zu einem Mann, der sie wie Dreck behandelte. Ja, zum 20. Hochzeitstag ging es zu McDonalds, das erste Mal Essen außer Haus, denn er spürte, er ist dabei seine Sklavin zu verlieren. Mit 17 ging ich von zuhause weg, lebte auf der Straße. Es war besser als das, was er mit mir vorhatte. Er wollte mich verkaufen. Meine Mutter stand nur stumm daneben und keiner hörte meine Verzweiflung. Also ging ich und träume bis heute von der kleinen Farm.

Heute lebe ich nicht mehr auf der Straße, es geht mir gut bzw. den Umständen entsprechend. Ich habe gesundheitliche Probleme, bin auf Grund dessen auch 2015 arbeitslos geworden, aber es geht bergauf. Ich würde sagen, ich überlebe, denn mit 860€ Notstand kann man das nicht Leben nennen. Ich habe eine schwere Krankheit überlebt und werde weiter kämpfen. Ich habe meine Kindheit mit Hilfe einer Therapie verarbeitet, diese hat mir sehr geholfen, doch leider hat sie viel Geld gekostet. Es ist eine Schande, dass es Therapie nicht auf Krankenschein gibt. Es sollte eine Leistung der Krankenkasse sein, denn eine Seele kann genauso wie der Körper krank sein. Auch als Erwachsene kenne ich also wieder die Armut, aber ich hatte auch ein paar gute und schöne Jahre, ohne Ängste. Heute sind sie wieder da, aber ich tue mein Bestes um sie zu verdrängen.

Ich bin 37 Jahre alt, war zunächst Pflegehelferin und habe 2018 nach der Erkrankung zur Bürokauffrau umgeschult.
Richtige Hobbys habe ich nicht, denn dafür ist kein Geld übrig. Doch ich lese gerne, koche sehr gerne und liebe meinen Hund über alles. Ich kann keine Kinder bekommen, aber das macht nichts. Ich kümmere mich um einen 11 jährigen Buben und unternehme zwei Samstage im Monat etwas mit ihm und helfe beim Deutschlernen und bei den Hausaufgaben. Ich liebe die Natur und das Leben, aber wie die Menschen sind macht mich oft traurig, aber that's life.
Ich bin von Natur aus ein fröhlicher Mensch und sobald ich wieder Geld verdiene, werde ich mit dem Hobby Reisen anfangen:-)


2019,  (Un-)Sichtbar
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